„Jamaika“, „Kleeblatt“, „Schwampel“ – Viele Bezeichnungen kursieren für ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und B90/Grüne. Auf Bundesebene konnte sich Schwarz-Gelb-Grün nicht auf eine gemeinsame Vision für Deutschland und Europa einigen. Die Freien Demokraten zogen nach der gemeinsam gesetzten Frist die Reißleine und stiegen aus den zähen Sondierungsgesprächen aus. Der zentrale Satz des Parteivorsitzenden Christian Lindner, den dieser in der Nacht des 19.11.2017 in die Mikrofone der umstehenden Journalisten sprach, könnte sich auf Jahre im kollektiven Gedächtnis festsetzen: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

So viel zu Berlin. Und in Rösrath? Hier befindet sich die FDP seit 2009 in einer Kooperation mit CDU und Grünen. Vergleichbar zu einer Koalition auf Bundesebene haben sich die drei Fraktionen in einer schriftlichen Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, welche übergeordneten, gemeinsamen Ziele sie sich für die Gestaltung der Kommunalpolitik setzen. Diese Form der Zusammenarbeit funktioniert gut, darüber sind sich die Partner einig, wie auch der Kölner Stadtanzeiger im September berichtete . Jamaika kann also gelingen. Über die gescheiterten Sondierungsgespräche auf Bundesebene zeigte sich daher auch die Rösrather FDP-Vorsitzende Andrea Büscher gegenüber dem WDR überrascht. Allerdings habe sie Verständnis für die Entscheidung ihres Bundesvorsitzenden, erklärte die Liberale, die Christian Lindner bereits aus ihren gemeinsamen politischen Anfängen bei den Jungen Liberalen kennt. Der wesentliche Unterschied zwischen den Verhältnissen in Rösrath und dem politischen Berlin könnte darin liegen, dass unter den Kommunalpolitikern ein parteiübergreifender Konsens darüber besteht, dass die Steigerung der Lebensqualität und Stärkung des Finanzhaushaltes im Vordergrund stehen, während gleichzeitig die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu begrenzen sind. Auf Bundesebene musste die FDP hingegen feststellen, dass ein solches gemeinsames Ziel, nämlich die Entlastung der Menschen und die Entfesselung der Wirtschaft, mit den drei Sondierungspartnern nicht zu erreichen war. Die fünf größten Hürden für einen tragfähigen Konsens lagen in den Themenfeldern Finanzen, Zuwanderung, Bildung, Energie- und Klimapolitik sowie Europa. Dass sich das Verhandlungsteam die Entscheidung gegen „Jamaika“ nicht leicht gemacht hat, schilderte Christian Lindner noch am Folgetag in einem ausführlichen Brief an die Parteimitglieder.

Wie es mit der Regierungsbildung in Berlin weiter geht, ist zur Stunde völlig offen. Auch die Folgen der mutigen FDP-Entscheidung für die eigene Partei sind noch nicht absehbar. Das demonstrierte Selbstbewusstsein und das damit verbundene Verzicht auf eigene Machtoptionen passt nicht in das Bild, das sich Teile der Öffentlichkeit von den Liberalen gebildet hatten. Wer die Freien Demokraten bisher bloß als Mehrheitsbeschaffer für die CDU verstanden hat, dürfte von der jetzigen Positionierung der FDP enttäuscht sein. Wer hingegen das Politikverständnis der Liberalen befürwortet und die Überzeugung teilt, dass die geforderten zehn Trendwenden berechtigte Forderungen für den Fortschritt unseres Landes bedeuten, wird das Wahlkreuz auch in Zukunft gerne bei der FDP machen.

Für Rösrath wird es keine Auswirkungen haben, dass die Hängepartie in Berlin nun in die Verlängerung geht. Der Kooperationsvertrag mit CDU und Grünen wurde bereits vor der Bundestagswahl im September überarbeitet und einmütig bestätigt. Die lokalpolitischen Ziele für die zweite Hälfte der laufenden Legislaturperiode sind damit abgesteckt und der nächste Kommunalwahlkampf liegt noch in weiter Ferne. Zudem sind die Stadtratsfraktionen zu Recht stolz darauf, dass Entscheidungen im Regelfall in übergreifendem Konsens, über alle Parteigrenzen hinweg gefällt werden.